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Wilhelmsdorf feiert sich als lebendige Gemeinde

200. Geburtstag würdig begangen

Rund 600 Besucher kamen zum Gottesdienst und Festakt am 7. Januar 2024 in die Riedhalle

Von Herbert Guth & Sandra Flucht

Es war am Sonntag ein gelungener Auftakt zum Jubiläumsjahr  „200 Jahre Wilhelmsdorf“. Genau am 7. Januar 1824 kamen die ersten zehn Siedler in Esenhausen an, um in der Folge das Lengenweiler Moosried urbar zu machen und eine pietistische Siedlung im katholischen Oberschwaben zu gründen. Mehr als 600 Bürgerinnen und Bürger sowie Gäste aus dem ganzen Land bis hin zum fernen Ohio versammelten sich in der Riedhalle, um sich an die Gründungsgeschichte des Dorfes zu erinnern, das aus kleinsten und ärmlichsten Anfängen heraus heute als Gemeinde Wilhelmsdorf mit rund 5000 Einwohnern auf eine ganz besondere Geschichte zurückblicken kann. 

Dass dieses Gemeindejubiläum im Vergleich zu anderen Orten in der Umgebung, die auf eine teilweise über 1000-jährige Geschichte zurückblicken können, trotzdem einen hohen Stellenwert einnimmt, zeigt allein die Anzahl von Ehrengästen, die Bürgermeisterin Sandra Flucht begrüßen durfte. Wilhelm Herzog von Württemberg, Chef des Hauses Württemberg, dessen Vorfahr König Wilhelm der I. die Siedlung auf seinem Privatgrund erst ermöglichte, saß gemeinsam mit allen Abgeordneten von CDU, SPD, Grünen und FDP des Wahlkreises Ravensburg von Bund und Land in der ersten Reihe. Dazu gesellten sich Sozialminister Manne Lucha und Landrat Harald Sievers, welche beide Grußworte während des Festaktes an die Gäste aus der Gemeinde richteten.

 

 

 

Pfarrer Norbert Graf
Pfarrer Norbert Graf
Kinder singen im Gottesdienst
Kinder singen im Gottesdienst
Dekan Dr. Martin Hauff
Dekan Dr. Martin Hauff

Dass sich große Teile der Inhalte von Gastbeiträgen mit der abwechslungsreichen Geschichte der Brüdergemeinde und des Ortes Wilhelmsdorf beschäftigten, ist der Historie geschuldet. Es gab aber auch sehr aktuelle Bezüge zur Jetztzeit. Im Festgottesdienst würdigte der Bischof der Evangelischen Landeskirche Ernst-Wilhelm Gohl in seiner bemerkenswerten Predigt, dass in Wilhelmsdorf mit der Brüdergemeinde als freie Kirchengemeinde eine beispielhafte Gemeinschaft gemeinsam mit der Landeskirche Tradition hat. Ein gewählter Pfarrer der Brüdergemeinde vertritt gleichzeitig die Interessen der Mitglieder der Landeskirche. Dies könne angesichts der strukturell anstehenden Veränderungen im Kirchenwesen beispielhaft auch für andere kirchliche Gemeinwesen im Lande sein. 

Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl
Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl
Der Posaunenchor
Der Posaunenchor
Vorsitzender der Bezirkssynode Kurt König
Vorsitzender der Bezirkssynode Kurt König

 

 

 

Sozialminister Manne Lucha
Sozialminister Manne Lucha

Dass Wilhelmsdorf seit seiner Gründung nie finanziell auf Rosen gebettet war, blieb nach den Worten von Sozialminister Manne Lucha auch dem Land nicht verborgen. Er zählte deshalb auf, bei welchen Projekten in der Vergangenheit die Gemeinde hohe finanzielle Zuwendungen erhielt. Dazu gehörten Zuschüsse vom Land und Bund zur Riedhalle ebenso wie Hilfen für die verschiedenen Schulprojekte im Bildungszentrum. Und auch bei dem derzeit entstehenden Schulneubau, bei dem über elf Millionen Euro für Gymnasium und Realschule zu schultern sind, werde sich das Land beteiligen. „Noch ist die genaue Aufteilung zwischen Land und Gemeinde strittig. Ich bin aber gewiss, dass auch hier eine gütliche Lösung gefunden werden kann“, stellte Lucha in den Raum. Nicht zuletzt hob der Sozialminister hervor, dass auch das Sozialunternehmen "Die Zieglerschen" großzügig Hilfe für nötige Infrastrukturmaßnahmen erhalte, die auch der Gemeinde zu Gute kommen werden. „Mehr als 3,2 Millionen Euro investieren wir in den Ersatzneubau der Werkstatt für Menschen mit Behinderung und in den Förder- und Betreuungsbereich.“ Diese Investitionen seien ein weiteres Zeichen dafür, dass Wilhelmsdorf den Weg der Inklusionsgemeinde, in der alle Menschen mit und ohne Behinderungen ihren Platz finden, konsequent weiter beschreitet. 

 

 

Landrat Harald Sievers
Landrat Harald Sievers

Auch Landrat Harald Sievers betonte die besondere Entstehungsgeschichte - eine staatliche Gründung mit religiöser Motivation auf unwirtlichem Gelände. Das besondere Engagement der ersten Siedler habe sich zum Markenkern der Gemeinde entwickelt. Er betonte dabei das enge Miteinander der Inklusionsgemeinde mit dem Landkreis, der den Sozialstaat mit Hilfe der freien und kirchlichen Trägern in den Gemeinden umsetze. Er lobte die gelöste Standortfrage für den Ersatzbau der Werkstatt für Menschen mit Beeinträchtigung als gute Lösung für die Gemeinde. Auch die Rolle beim Klimaschutz hob er besonders hervor: "Moorschutz ist ein aktuelles, zentrales politisches Thema". Die Leistung als Bildungsstandort hob er als drittes Standbein der Gemeinde hervor. Er hoffe, dass durch die Beteiligung der Umlandgemeinden an der Schulbaufinanzierung die Gemeinde künftig Entlastung bei dieser großen Aufgabe erfahre.

 

Dr. Eberhard Fritz
Dr. Eberhard Fritz

Schon immer eng verbunden mit der Geschichte von Wilhelmsdorf ist der Historiker Eberhard Fritz, der über viele Jahre hinweg das unschätzbar umfangreiche Archiv des Hauses Württemberg in Altshausen betreute. Erstmals als Ruheständler warf er, wie schon beim Jubiläum vor 25 Jahren, einen Blick zurück bis hin in die Gegenwart dieser Gemeinde. Sein Fazit zum Schluss der einfühlsamen geschichtlichen Würdigung: „Aus der Siedlung im Sumpf ist bis heute noch keine Stadt auf dem Berg, aber doch noch etwas Rechtes geworden.“

Angesprochen wurden beim Festakt aber auch dunklere Stunden in der Geschichte. Dazu gehörten etwa die Deportationen von Menschen mit Behinderungen, die im Nationalsozialismus verschleppt wurden und in Konzentrationslagern ihr Leben verloren. Durch das mutige Handeln von Verantwortlichen in den Einrichtungen, in denen behinderte Menschen lebten, konnten aber auch Leben gerettet werden. Bei der abschließenden Frage- und Antwortrunde „Blitzlichter aus Wilhelmsdorf“ kamen mit Wilhelmsdorf eng verbundene Menschen zu Wort. Unter der Moderation von Stefan Wieland, Leiter des Kommunikationsbereichs der "Zieglerschen", gab es intensive Einblicke in das, was für die Menschen aus vielen Bereichen der Gemeinde, wichtig ist. Ein Beispiel gab Christoph Lutz, Bereichsleiter der Jugendhilfe in der Jugendhilfeeinrichtung "Hoffmannhaus". Auf Nachfrage ging er offen auf die Vorkommnisse ein, die in früheren Jahren Kindern und Jugendlichen aus dem Heim widerfahren waren. Nie mehr dürfte seelische, körperliche oder sexuelle Gewalt den Schutzbefohlenen gegenüber vorkommen. Das würdigte schon zuvor Sozialminister Lucha: „In diesem Bereich konnten sich das "Hoffmannhaus" und die Diakonie in Korntal zu einer Aufarbeitung der Vorgänge durchringen.“ Ein Mahnmal erinnert neben dem Saalplatz am "Hoffmannhaus" auf die Geschehnisse.

 

 

Besondere Sympathien genossen aber auch die authentischen Beiträge von Lore Pfaff, die mit ihren 100 Lebensjahren auf die Hälfte der Gemeindegeschichte zurückblicken kann. Auch Laura Hütter und Lydia Kloss als "neu zugezogene" Gemeindemitglieder schilderten ihre Erlebnisse - und warum sie trotz anderer Pläne in Wilhelmsdorf geblieben sind. Pfarrer Graf betonte, dass die Brüdergemeinde damals wie heute Teil der ganzen Gemeinde sei: "Suche der Stadt Bestes", das sei der Beitrag, den die Brüdergemeinde auch weiterhin für die gemeinsame Gestaltung der Gemeinde leisten wolle.  Manfred Benz, mit 8 Jahren nach Wilhelmsdorf gekommen, verkörperte im besten Sinne, was Inklusion in der Gemeinde bedeutet. Herr Heinzmann bekräftigte: "Wir gehören zu Wilhelmsdorf, das soll auch so bleiben. Die Zieglerischen wollen auch in Zukunft Traditionen bewahren, aber nicht die Asche weitergeben, sondern Feuer und Glut".

 

Lore Pfaff - 100 Jahre Leben in Wilhelmsdorf
Lore Pfaff - 100 Jahre Leben in Wilhelmsdorf

 

 

I can't help, falling in love with you - ich muss mich einfach in Dich verlieben.

So spielte der Musiverein Wilhelmsdorf-Esenhausen zum Abschluss auf. Eine schönere musikalische Liebeserklärung auf die Gemeinde hätte es nicht geben können.

 

 

Einschließlich Gottesdienst und Festakt hatten nach rund vier Stunden offizieller Jubiläumsfeiern die Gäste Gelegenheit, sich in lockerem Beisammensein auszutauschen.

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